Zum Weltfrauentag 2025 möchten wir die Stimmen von Frauen aus der Buchbranche in den Mittelpunkt stellen. Deshalb haben wir fünf Frauen gefragt, welche Herausforderungen sie erlebt haben, welche Veränderungen sie sehen und was sie sich für die Zukunft wünschen.
In unserem Beitrag teilen Miriam Gabriela Möllers, Susanna Wengeler, Anne Behl, Henriette Strohal und Anna Kindermann ihre persönlichen Erfahrungen und Ansichten:
Miriam Gabriela Möllers – Geschäftsführerin des Börsenvereins Landesverband Berlin-Brandenburg
Wie erleben Sie als Frau die Buchbranche? Welche Herausforderungen oder Vorurteile gegenüber Frauen gibt es?
Ich bin immer wieder aufs Neue beglückt. Klar, das verstaubte Bild der ‚Buchmaus‘, ‚Verlagstussi‘ oder ‚Buchhandelstante‘ ist noch nicht aus allen Köpfen verschwunden. Und die Arbeit mit dem Buch wird mitunter eher als eine Art ‚Freizeitbeschäftigung‘ eingestuft. Aber das sollte uns nicht kümmern: Welches Potential in Büchern und in den Frauen steckt, die Bücher machen, wird immer sichtbarer.
Welche Veränderung haben Sie in der Buchbranche in den letzten Jahren in Bezug auf Gleichberechtigung und die Rolle von Frauen erlebt und welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die Bücher, die Menschen, das Denken – alles ist diverser geworden. Und es gibt eine wunderbare Sisterhood. Das ist schön. Genauso: Ein größeres Verständnis für die Herausforderungen als berufstätige Mutter und eine wachsende (aber längst nicht ausreichende) Selbstverständlichkeit von Frauen in Führungspositionen. Davon wünsche ich mir noch mehr! Und vielleicht ein Stück mehr Offenheit für die Blickwinkel, Interessen und Fähigkeiten der jüngeren Generation, auch in unserer eigenen Buchhandels-‚Bubble‘.
Wie können Frauen in der Buchbranche besser unterstützt werden?
Ich wünsche mir mehr Bewusstsein dafür, dass künftig viel mehr Menschen sehr sehr lange werden arbeiten müssen, bevor sie eine Art Rente erhalten, von der sie leben können. Es braucht perspektivisch mehr Optionen, dass vor allem auch Damen 65+ in der Branche aufgrund ihres breiten Erfahrungshorizonts mitwirken können. Und dass für Frauen insgesamt das Pausieren und Wiederkommen problemlos möglich ist; dass wir generell die Teilzeit-Renten-Falle für Frauen und Freiberuflich-Kreative endlich in den Griff kriegen.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die in der Buchbranche Fuß fassen wollen?
Lasst Euch von der Leidenschaft für das Lesen, die Literatur und das Buch nicht abbringen. Die Branche steckt voller Zukunftsperspektive und ist facettenreich wie kaum eine andere. Man wird nicht ultra-reich, aber ultra-glücklich. Und die Erfolgswege werden immer vielfältiger. In der Buchbranche sind unfassbar viele Menschen am Werk, die Idealismus leben und zugleich richtig was drauf haben. Buch-Idealismus und persönlicher wie wirtschaftlicher Erfolg gehen hier zusammen. Und: Sucht Euch eine Mentorin oder einen Mentor! Jemand, von dem Ihr lernen könnt und der wertschätzend mit Euch in die Zukunft denkt.
Susanna Wengeler – Ehemalige Redakteurin des Fachmagazins „Buchmarkt“ und Gründerin des Online-Portals BilderBuchMarkt
Susanna Wengeler macht sich nach 25 Jahren als Redakteurin bei der Fachzeitschrift BuchMarkt derzeit mit www.bilderbuchmarkt.de – einem Online-Portal rund ums Kinder- und Jugendbuch – selbständig.
Wie erleben Sie als Frau die Buchbranche? Welche Herausforderungen oder Vorurteile gegenüber Frauen gibt es?
In der Buchbranche habe ich mich von Anfang an wohl- und herausgefordert gefühlt. Denn ich hatte das Glück, immer wieder auf Menschen zu treffen, die mich in meiner Eigenart respektiert und bei meiner Arbeit gefördert haben, sei es in meiner Ausbildung zur Buchhändlerin, während meines Germanistik-Studiums und meiner Arbeit in einem Kinderbuchladen oder 25 Jahre lang als Redakteurin der Fachzeitschrift BuchMarkt. Die Buchbranche wird von Frauen dominiert, zumindest anteilmäßig. Daher habe ich selten mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt, was mein Geschlecht angeht.
Welche Veränderungen haben Sie in der Buchbranche in den letzten Jahren in Bezug auf Gleichberechtigung und die Rolle von Frauen erlebt, und welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft?
Vor Jahren habe ich mal einen Film über die Anfangsjahre des Magazins Spiegel gesehen. Und habe damals wohl zum ersten Mal begriffen, wie viel einfacher ich es beim Start in meinen Beruf hatte als die Generationen von Frauen vor mir. In den Redaktionskonferenzen damals kamen Frauen nur vor, wenn sie frischen Kaffee reinbrachten und die Aschenbecher leerten. Redakteurinnen waren die absolute Ausnahme. Wenn ich wiederum meine Anfangszeit mit der heutigen vergleiche, denke ich, dass Gleichberechtigung noch etwas selbstverständlicher geworden ist und die meisten Männer begriffen haben, dass beispielsweise anzügliche Bemerkungen ein absolutes No go sind. Vielleicht auch, weil Frauen heute selbstverständlicher Solidarität erfahren, wenn sie Grenzüberschreitungen ansprechen anstatt verunsichert zu schweigen – sowohl von anderen Frauen als auch von aufgeklärten Männern.
Wo ich noch Handlungs- und Gesprächsbedarf sehe, ist das Thema Altersdiskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz.
Wie können Frauen in der Buchbranche besser unterstützt werden?
Erstens: Wir brauchen Arbeitszeitmodelle, die Beruf und Familie vereinbar machen – das ist wohl in allen Branchen ähnlich. Zweitens: Das Netzwerken untereinander ist durch viele digitale Neuerungen aus meiner Sicht nur vermeintlich einfacher geworden. Wirklich belastbar werden Kontakte weiterhin wohl nur durch persönliche Begegnungen. Ich erinnere mich gut daran, wie schwer es mir in den Anfangsjahren fiel, auf größeren Events vielen mir unbekannten Menschen zu begegnen. Wir tun gut daran, sowohl den Jüngeren als auch den Schüchternen jeden Alters (kein seltener Typ unter Kreativen) den Einstieg leichter zu machen, manchmal reicht schon eine kleine Geste der Wahrnehmung. Und drittens sollten wir endlich anfangen, mehr Geld zu verdienen. Frauen sind das Rückgrat der Buchbranche, und die Buchbranche ist ein wichtiger Pfeiler für eine demokratische Gesellschaft.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die in der Buchbranche Fuß fassen wollen?
Ganz allgemein: Bleibt neugierig. Auf eure Arbeit, eure Kund:innen, euer gesamtes Umfeld. Nur was euch wirklich interessiert, wird euch auf Dauer glücklich machen. Zugleich ist unsere Branche so spannend, dass man zuweilen vieles vergessen mag, das für ein glückliches Leben ebenso wichtig ist. Daher auch mein Rat: Bleibt geerdet, passt auf euch auf und sucht euch etwas außerhalb der Branche, in dem ihr euch weiterentwickeln könnt – sei es ein Sport, eine handwerkliche Tätigkeit, irgendein Hobby, bei dem ihr mit branchenfremden Menschen in Kontakt kommt. Denn so liebenswert die Büchermenschen sind – ein bisschen verrückt sind sie auch.
Anne Behl – Kinderbuch-Illustratorin
Wie erleben Sie als Frau die Buchbranche? Welche Herausforderungen oder Vorurteile gegenüber Frauen gibt es?
Ich habe das große Glück in einer Branche zu arbeiten, in der man auf viele, inspirierende, reflektierte und progressive Frauen trifft. Und da spreche ich vor allem von der Kinderbuchbranche, denn ich habe das Gefühl, dass sich diese Sparte nochmal abhebt von anderen Buchsparten. Ich erlebe immer wieder einen sehr kollegialen, wohlgesonnen, freundschaftlichen Austausch. Ob das jetzt daran liegt, dass im Kinderbuchbereich überwiegend Frauen agieren, kann ich nicht einschätzen. Gleichzeitig stolpere ich aber auch darüber, dass ich bei Verlagen fast ausschließlich mit Frauen zusammenarbeite und nur in seltenen Fällen mit Männern zu tun haben. Diese sitzen dann in der Regel in der Chefetage. Und da sind wir ganz schnell wieder bei den Stereotypen. Als herausfordernd betrachte ich aber, dass bei all der Freundlichkeit nicht vergessen wird, dass wir Kreativen auch Geschäftsfrauen sind. Gerade Berufsanfängerinnen fällt das schwer, zumal Außenstehende den Beruf oft als Hobby betrachten. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass es bei Verlagen ähnlich ist, wenn man erste Honorarangebote bekommt. Aber wir müssen von unserem Beruf leben können und brauchen faire Honorare. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass es vielen Frauen da nach wie vor schwerer fällt, in Honorarverhandlungen zu treten, als unseren männlichen Kollegen. Man darf auch gerne die Frage in den Raum werfen: liegt die schlechte Honorierung eventuell daran, dass Kinderbuchillustration als weibliche Profession wahrgenommen wird?
Welche Veränderungen haben Sie in der Buchbranche in den letzten Jahren in Bezug auf Gleichberechtigung und die Rolle von Frauen erlebt, und welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft?
Eine Veränderung hat man vor allem bei den Buchinhalten gesehen. Es gibt immer mehr Kinderbücher, die von Stereotypen abweichen und somit eine größere Bandbreite gesellschaftsrelevanter und damit auch feministischer Themen abdecken. Die Mütter in den Büchern sind nicht mehr nur Hausfrauen; Mädchen und Jungs dürfen gleichermaßen schwach wie stark sein. Als ich in der Branche angefangen habe, war es vollkommen undenkbar, ein Kinderbuch für Jungs zu illustrieren und dabei die Farbe Rosa zu nutzen. Das ist heute bei vielen Verlagen nicht mehr so. Aber da sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange. Der Prozess ist langsam, zwischendurch sogar manchmal rückläufig. Da müssen wir dran bleiben.
Wie können Frauen in der Buchbranche besser unterstützt werden?
Am Ende ist es so einfach beantwortet, wie schwierig umgesetzt: wir brauchen mehr Geld. Um ein einigermaßen gutes Einkommen zu haben, arbeiten viele Kolleg*innen über ihre Möglichkeiten hinaus. Burnout und Depressionen sind keine Seltenheit. Ein höheres Honorar wäre wichtig für die mentale Gesundheit und die Qualität der Bücher.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die in der Buchbranche Fuß fassen wollen?
Redet miteinander über Probleme, Geld und Chancen und vernetzt euch. Die Illustratoren Organisation ist ein guter Anlaufpunkt – im Internet und auf Buchmessen.
Henriette Strohal – Lektorin beim Jungbrunnen Verlag
Wie erleben Sie als Frau die Buchbranche? Welche Herausforderungen oder Vorurteile gegenüber Frauen gibt es?
Die Buchbranche ist sehr vielseitig, sowohl inhaltlich als auch personell, und ein Bereich, in der viele Frauen tätig sind. Allerdings gehen manche auch hier bei ersten Begegnungen davon aus, dass das männliche Gegenüber die Chefetage besetzt und nicht die danebenstehende Kollegin.
Welche Veränderungen haben Sie in der Buchbranche in den letzten Jahren in Bezug auf Gleichberechtigung und die Rolle von Frauen erlebt, und welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft?
Frauen in diesem Bereich vernetzen sich verstärkt und ich würde mir wünschen, dass Frauen auch hier in den Chef*innen-Etagen ganz selbstverständlich stark vertreten sind – und das junge Frauen weniger belächelt werden.
Wie können Frauen in der Buchbranche besser unterstützt werden?
Sie unterstützen sich gegenseitig, gut wäre es, verstärkt ihr Potenzial in den Vordergrund zu rücken, und es sollte ein starker Fokus auf gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit gelegt werden.
Anna Kindermann – Autorin und Verlegerin des Kindermann Verlags
Wie erleben Sie als Frau die Buchbranche? Welche Herausforderungen oder Vorurteile gegenüber Frauen gibt es?
Die Buchbranche ist eine Welt, die auf den ersten Blick sehr offen und fortschrittlich wirkt – und in vielen Bereichen ist sie das auch. Insbesondere im Kinderbuchbereich arbeiten viele Frauen in verantwortungsvollen Positionen, sei es als Verlegerinnen, Lektorinnen oder Agentinnen. Dennoch gibt es auch hier Herausforderungen: Die großen Entscheidungsebenen, insbesondere in Konzernen, sind immer noch oft von Männern besetzt. Frauen haben es in Verhandlungen mit Druckereien, Vertriebspartnern oder Finanzinstitutionen oft schwerer, ernst genommen zu werden, gerade wenn es um wirtschaftliche Fragen geht.
Ein weiteres Vorurteil betrifft die Inhalte, die Frauen verlegen: Wenn Frauen Bücher über große historische Persönlichkeiten oder philosophische Themen machen, werden diese manchmal weniger ernst genommen als bei männlichen Verlegern. Gleichzeitig wird von Frauen häufig erwartet, dass sie sich mit „sanften“ Themen wie Familie, Emotionen oder Diversität befassen. Ich erlebe es aber als bereichernd, genau diese Stereotype bewusst zu hinterfragen und zu durchbrechen.
Welche Veränderungen haben Sie in der Buchbranche in den letzten Jahren in Bezug auf Gleichberechtigung und die Rolle von Frauen erlebt, und welche Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich nehme eine positive Entwicklung wahr: Frauen fordern heute viel selbstbewusster ihren Platz ein und haben sich als Autorinnen, Illustratorinnen und Verlegerinnen eine größere Sichtbarkeit erarbeitet. Besonders im Kinderbuchbereich werden zunehmend Werke veröffentlicht, die starke weibliche Protagonistinnen in den Fokus rücken oder die Lebensgeschichten inspirierender Frauen erzählen – so auch bei unserem Programm mit Marie Curie, Frida Kahlo oder Jane Austen.
Trotz dieser Fortschritte sehe ich weiterhin Verbesserungspotenzial. Frauen sollten noch stärker auch in wirtschaftlich entscheidenden Rollen vertreten sein. Es gibt noch zu wenige Frauen in den obersten Führungsebenen der großen Verlage, und auch in Preisjurys oder Branchengremien sind Frauen oft unterrepräsentiert. Hier wünsche ich mir in Zukunft eine stärkere Förderung und gezielte Netzwerke, die Frauen auf dem Weg nach oben begleiten.
Wie können Frauen in der Buchbranche besser unterstützt werden?
Ein starkes Netzwerk ist essenziell. Frauen müssen sich gegenseitig unterstützen, Mentoring-Programme ausbauen und sich auch aktiv in wirtschaftlichen Bereichen positionieren. Die Buchbranche lebt von Kooperationen, und Frauen sollten sich nicht scheuen, Allianzen zu bilden, Wissen zu teilen und sich gegenseitig zu empfehlen.
Gleichzeitig müssen strukturelle Rahmenbedingungen verbessert werden, damit Frauen – insbesondere Mütter – ihre Karrieren in der Buchbranche nicht unterbrechen oder abbrechen müssen. Flexible Arbeitsmodelle und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind hier entscheidende Faktoren.
Verlage und Branchenverbände können außerdem gezielt Programme initiieren, die weibliche Führungskräfte aufbauen und ihnen helfen, wirtschaftliche Kompetenzen und Verhandlungssicherheit zu stärken.
Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die in der Buchbranche Fuß fassen wollen?
Habt Mut und fordert euren Platz ein! Die Buchbranche ist voller kreativer und engagierter Menschen – aber sie ist auch wirtschaftlich herausfordernd. Mein wichtigster Rat ist: Versteht die Mechanismen der Branche nicht nur inhaltlich, sondern auch wirtschaftlich. Beschäftigt euch mit Zahlen, Marketing, Vertrieb und Produktionsprozessen.
Sucht euch Mentorinnen und baut Netzwerke auf. Sprecht mit erfahrenen Kolleginnen und tauscht euch aus – das half auch mir sehr, meinen eigenen Weg zu finden und typische Stolpersteine zu vermeiden.
Und schließlich: Bleibt hartnäckig und vertraut auf eure Vision. Gerade in unabhängigen Verlagen haben Frauen eine große Chance, eigene Ideen umzusetzen und sich ihren Platz zu erarbeiten. Die Buchbranche braucht frische, mutige Stimmen – und Frauen, die diese Stimme selbstbewusst erheben!